Ein mutiger Theologe


Ich schimpfe ja immer auf die katholische Kirche. Wenn man die Geschichte die David Berger dem Kölner Stadtanzeiger erzählt, habe ich gleich noch mehr Grund dazu.

Nachdem er in der letzten Zeit von vershciedenen hohen katholischen Würdenträgern die Verbindung zwischen Homosexualität und Kindesmissbrauch gehört hat, schreibt er:

In diesem Moment war mir klar: Ich darf zu solchen Äußerungen nicht länger schweigen – ja, in gewissem Sinne habe ich mich an ihnen mitschuldig gemacht durch meine langjährige Arbeit für das konservativ-katholische Lager.

Danach redet er etwas über seine Faszination bezüglich der Ästhetik der Messe und stellt eine Theorie der „Szene als Religionsersatz“, mit CSD-Prozession und zelebrierten Orgien, auf die ich nicht teile. Aber das muss ich ja auch nicht.

Der nächste interessante Punkt ist, als er von einem Abendessen im konservativ-katholischen Kreis berichtet:

Dann erweiterte die Runde das Thema auf alle Schwulen und bemerkte ganz frei, wie katastrophal sich die Abschaffung des Paragrafen 175 ausgewirkt habe. Man könne über das „Dritte Reich“ ja denken, was man wolle, damals jedenfalls habe man das Problem zu lösen verstanden. Sollte heißen: ein kaum kaschiertes Einverständnis mit dem Terror der Nazis, die Schwule und Lesben in KZs gesperrt und ermordet hatten.

Tja. Das ist doch mal etwas interessantes, was man hier unter der Maske von Liebe und Mitgefühl findet. Im Folgenden spricht er über ein Gespräch mit einem „rheinischen Kirchenfürsten“:

Völlig zusammenhanglos erzählte er mir, er achte peinlich darauf, niemals homosexuell Veranlagte zu Priestern zu weihen, so dass diese in seiner Diözese nicht vorkämen. Wer weiß, wie viele schwule Priester es in jedem katholischen Bistum gibt, dem ist klar: Hier war das Programm der Unehrlichkeit auf den Punkt gebracht. Der Schein einer heilen katholischen Märchenwelt soll um jeden Preis gewahrt bleiben.

Es drängt sich bei solchem Schwachsinn auf, daß der Grund für die extreme Homophobie der katholischen Kirche vielleicht wirklich die abgeschottete Männergemeinschaft ist, die sich dort bildet. Die heterosexuellen Männer die an ihrem Zölibat zu knabbern haben fühlen sich vielleicht noch mehr in ihrer Männlichkeit bedroht, wenn sie nicht nur den Frauen nicht hinterherschauen dürfen, sondern auch noch aus den eigenen Reihen ihnen hinterhergeschaut wird. Sie werden quasi vom männlichen „Stecher“ zum Lustobjekt.

Um den schönen Schein zu wahren ist den Herren Oberhirten wohl jedes Mittel recht. Der für mich entlarvendste Teil des Textes ist:

Vielmehr benutzen wichtige Stellen der Kirche – ganz unabhängig davon, ob sie kirchenpolitisch eher konservativ oder progressiv einzuschätzen sind – den schönen Schein, um im Verborgenen eifrig Informationen über jene zu sammeln, die sie der Homosexualität verdächtigen.

Das belastende Material kommt freilich immer erst dann zum Einsatz, wenn man es braucht. Sobald jemand nicht so läuft, wie sich die Kirchenoberen das wünschten, setzen sie die Homosexualität des Betreffenden als Druckmittel ein, um ihn gefügig zu machen. Unter dem Machtaspekt gibt es für einen Bischof also nichts Besseres als einen katholischen Priester, der seine Homosexualität schamhaft versteckt.

Mir drängt sich bei diesen Zeilen der Vergleich zu Methoden der Scientology auf. Erst werden Gespräche „im Vertrauen2geführt und dann die so gewonnenen Informationen gegen das Opfer verwendet. Wenn aber Öffentlichkeit über einen Sachverhalt hergestellt ist, der nicht ins Saubermann/Moralapostel-Bild der Kirche passt, dann passiert folgendes:

Die Folge: große Aufregung bei der Fördergemeinschaft von „Theologisches“! Und damit verbunden die Frage: „Stammen diese Beiträge wirklich von Ihnen? Das ist Ihnen doch von Feinden des Glaubens untergeschoben worden! Sie schreiben doch nicht auf Seiten, auf denen auch Homosexuelle schreiben! Sie müssen sofort dementieren, dass das von Ihnen ist!“

Wenn ich den Text richtig verstehe, ging es hier um ein Facebook-Profil. Grundsätzlich schonmal widersinnig, hier von Seiten zu sprechen „auf denen auch Homosexuelle schreiben“. Solche Formulierungen zeigen, daß die Würdenträger der katholischen Kirche rein gar nichts vom Internet verstehen. Genau wie Berger komme ich zu dem Schluss, daß es eine „sektenhafte Zunahme homophober Tendenzen im Katholizismus“ gibt. Ich finde sogar, daß auch die Methoden der Kirche sektenhaft sind. Nur wird Scientology von der Öffentlichkeit argwönisch beobachtet und die Kirche bekommt sogar das Gehalt ihrer Professoren vom Staat.

Ich empfinde es als sehr mutig, daß Berger so offen über seine Erfahrungen in der Kirche schreibt. So leicht wird er als Theologe in diesem Umfeld keinen Job mehr bekommen. Ich finde, wir sollten seine Worte ernst nehmen und uns Gedanken über die Rolle manchen, die die Kirche in unserer Gesellschaft spielt.

Schließen will ich mit einem Zitat welches Berger dem Katholischen Nachrichtendienst Kath.net bezüglich seiner Homosexualität gab:

Ein nicht ganz unbedeutender Unterscheid besteht allerdings: ich habe niemals mir anvertraute Kinder geschlagen und wäre niemals auf die Idee gekommen, mich in irgendeiner Weise Minderjährigen sexuell zu nähern. Böse Zungen würden jetzt vielleicht hinzufügen: „Vielleicht besteht darin ja die unkirchliche Haltung …“


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert