Ich bin normalerweise kein Zeitungs-Leser. Ich finde das Format dieser Print-Erzeugnisse gänzlich unhandlich und wenn ich mich informieren will schau ich Fernsehn (mehrere Sender um das ganze Bild zu bekommen), surfe im Netz (z. B. die Seite der Tagesschau und von Heise) und höre morgens zum Aufwachen Deutschland-Radio.
Aber gestern hab ich auf dem Bahnhof (ich hatte knapp den Zug verpasst) etwas Zeit und hab diese im Zeitschriftenladen verbracht. Und dort schimmerte mir dann die Headline der „Welt Komapt“ entgegen. Hier wurde zentral auf der ersten Seite unter dem Titel „Erste Ambulanz für Internetsüchtige eröffnet“ über die Gefahren des Internets im Allgemeinen und der Online-Spiele im Besonderen aufgeklärt. Der Preis war vertretbar und das Format unterstützenswert klein, also hab ich mir eine Ausgabe dieser Zeitung zugelegt. Positiv zu bemerken ist, daß neben dem reißerisch aufgemachten Artikel noch in kleine, stichwortartigen Punkten eine Gegenmeinung dargestellt wurde. Laut dieser Meinung sind Computerspieler nicht die sozial verkümmerten, einsamen, gescheiterten Existenzen ohne Bezug zu jeder Form nicht-virtueller Realität als die sie gerne in der Öffentlichkeit (und auch vom Hauptartikel) dargestellt werden, sondern sehr soziale Menschen, halt nur auf eine andere als die übliche Art. Zusätzlich spricht diese „Mindermeinung“ den Spielern einen hohen Grad an kognitiver- und Reaktionsleistung auf ihrem Gebiet zu, welche in der aktuellen Welt nicht gänzlich unpraktisch ist.
Der Hauptartikel jedoch spricht wieder die Urängste der Generation an, die diese Form der Freizeitgestaltung nicht kennt und nicht versteht/ verstehen will. Die abschottung vom realen Leben, die vollkommene Flucht in die „virtuelle Realität“ und weitere Horror-Szenarien werden vom Autoren am Beispiel eines Jungen Studenten an die Wand gemahlt, der sein Studium schmiss, Sozialhilfe beantragte und seine Wohnung verkommen ließ, nur um weiter spielen zu können. Die Eltern dieses armen Jungen hätten ihren Sohn wohl an das Internet verloren, würden jetzt aber in einem Verein daran arbeiten, daß Anderen dieses Schicksal erspart bleiben würde.
Ich stelle nicht in Frage, daß es diese Fälle gibt. Und gerade im Internet, wo Nachrichten mit einer früher ungeahnten Geschwindigkeit verbreitet werden, fallen solche Fälle natürlich gleich doppelt auf. Aber meiner Meinung nach handelt es sich bei dieser Sucht genauso wie bei der „Sucht“ nach Fernsehn oder der gesellschaftlich hochgejubelten „Arbeitssucht“ (Workoholics) um Phänomene einer tieferliegenden Störung und nicht um eigenständige Probleme.
Positiv in dieser Hinsicht fällt mir die heutige Meldung auf Heise auf, die von der Konferrenz „Clash of Realities“ berichtet, die dieser Tage in Köln stattfindet. Ein Vortragstitel von Dr. Bert te Wildt (Medizinische Hochschule Hannover) trifft meine Einstellung zu diesem Thema genau: „Internet- und Computerspielabhängigkeit als Symptom psychischer Störungen“
Ja. Es gibt Probleme. Aber die wären sonst auch da und haben andere Ursachen. Und an die müssen wir ran.